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surfen, chatten, gamen, bloggen, simsen
 

Wie in der allgemeinen Suchtprävention steht auch in der Präventionsarbeit zur Vermeidung einer Medienabhängigkeit die Förderung der Lebenskompetenzen im Vordergrund. Deshalb wurden für die Bearbeitung im Unterricht bewusst auch Themen ausgewählt, die nicht direkt mit dem Thema Medienabhängigkeit zu tun haben, jedoch die Förderung der sozialen und personalen Lebenskompetenzen zum Ziel haben.


Methodische Hinweise

Jedes Thema ist in sich abgeschlossen. Die einzelnen Themen können entsprechend den Bedürfnissen der Schulklasse frei ausgewählt und miteinander kombiniert werden. Die methodischen Vorschläge gehen von einer durchschnittlichen Klassengrösse von ca. 20 Jugendlichen aus. Je nach Klassengrösse, Altersstufe und Bildungsstand (Berufs- oder Mittelschule) ist es angezeigt, dass die Lehrperson kleinere methodische Anpassungen (wie zum Beispiel mehr Hilfestellung beim Gruppenauftrag) vornimmt. Die Auswahl der sechs Themen sowie die methodischen Vorschläge für die Umsetzung im Unterricht sind als Anregungen zu verstehen. Natürlich lassen sich diese Themen mit weiteren aktuellen Themen ergänzen.

Zu beachten ist, dass die persönliche Grundeinstellung der Lehrperson zu den Neuen Medien die Art und Weise der Gestaltung des Themenblocks "Medienabhängigkeit" stark beeinflusst. Wie stehe ich ganz persönlich zum Thema? Wie gewichte ich Chancen und Risiken der Internetnutzung? Sind die Neuen Medien für mich selbst ein unerlässliches Arbeitsinstrument oder gar Teil meiner Freizeitgestaltung? Wichtig ist, dass die Lehrperson ihre Grundhaltung zu dieser Thematik reflektiert. Natürlich bleibt es der Lehrperson überlassen, ob und wieweit sie diese im Unterricht transparent machen will.

 

1. Identität - das reale Ich
 


Unter Identität versteht man die Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit einer Person, sowohl in ihrer als “Selbst” erlebten inneren Wesenseinheit als auch in der Fremdwahrnehmung durch das soziale Umfeld. Zum persönlichen Erleben von Identität gehört einerseits das Gefühl einer zeitlichen Kontinuität des Selbst und andererseits die grundsätzliche Übereinstimmung des Selbstbildes mit dem Bild, das sich die Anderen von einem Individuum machen. Dazu gehört auch, verschiedene Elemente der eigenen Identität miteinander in Einklang zu bringen, sich mit den eigenen Mängeln auseinanderzusetzen und das Zugehörig-Fühlen zu einer bestimmten Gruppe mit bestimmten Werten und Idealen.

Der Prozess der Identitätsfindung erstreckt sich zwar über die gesamte Lebensspanne, Probleme in Zusammenhang mit der Identitätsfindung werden jedoch während der Adoleszenz besonders deutlich. Dies schon allein deshalb, weil in dieser Phase grosse Veränderungen in Bezug auf Körper und Sexualität im Gange sind. Die Entwicklung der Identität wird als eine zentrale Aufgabe des Jugendalters angesehen. Aus der Jugendgesundheitsforschung wissen wir, wie wichtig die Förderung personaler und sozialer Kompetenzen (Selbstwertgefühl, Kommunikationsfähigkeit) für eine gesunde Entwicklung sind. Besonders im Kinder- und Jugendalter werden gesundheitsrelevante Verhaltensweisen eingeübt und gefestigt.

Bei Jugendlichen, die einen grossen Teil ihrer Freizeit online verbringen, rückt zunehmend eine konstruierte, virtuelle Identität in den Vordergrund. Diese lässt sich per Mausklick und Tastendruck leicht verändern. Im Offline-Alltag müssen sich die Jugendlichen dann wieder mit der so genannten "realen Identität" auseinandersetzen, was im Jugendalter keine einfache Aufgabe ist.

Lernziel dieser Sequenz ist die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Identität und deren Besonderheiten. Bei dieser Thematik kann es sinnvoll sein mit der Klasse bestimmte Kommunikations- und Feedback-Regeln zu vereinbaren. Die Sequenz "Identität - das reale Ich" kann gut mit der Sequenz "Virtuelle Welten - das virtuelle Ich" kombiniert werden.


Anregungen für den Unterricht

 
2. Virtuelle Welten - das virtuelle Ich
 

Als virtuelle Realität oder "virtual reality" wird die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven Umgebung bezeichnet (Freie Enzyklopädie Wikipedia). Die dazu benötigten Software-Programme müssen komplexe dreidimensionale Welten in Echtzeit berechnen können; das heisst, mindestens 25 Bilder pro Sekunde.

Virtuelle Welten oder Realitäten werden in vielen Bereichen eingesetzt, bestens bekannt ist zum Beispiel die Pilotenausbildung im Flugsimulator. Aber auch in der Industrie und in der wissenschaftlichen Forschung kommt diese Technologie immer mehr zur Anwendung wie bei der Herstellung von Prototypen oder in Ergonomietests. Selbst in der Politik wird auf das virtuelle Online-Universum gesetzt: Die französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal führte ihren Wahlkampf nicht nur in der ‘realen’ Welt, sondern auch über die virtuelle Online-Plattform "Second Life". Gemäss Experten nimmt die Beliebtheit von “Second Life” bereits wieder ab. Bei Jugendlichen stand "Second Life" nie besonders hoch im Kurs. In neuerer Zeit wird die virtuelle Realität zunehmend auch für die Freizeit- und Unterhaltungsbranche wichtig.

Nebst den vielen Chancen, welche die neue Technologie bietet, birgt sie auch Gefahren bezüglich ihrer sozialen Wirkung. Von Flucht aus dem wahren Leben über soziale Isolation bis hin zur Gefahr der Medienabhängigkeit ist die Rede. Online-Computerspiele sind zwingend auf Spieler angewiesen, die motiviert sind in die virtuelle Welt einzutauchen und sich spielerisch mit Inhalten und Regeln auseinanderzusetzen. In Stategiespielen wie "Comman & Conquer" oder "Age of Empires", in Actionspielen wie "3D-Shooter" oder "World of Warcraft" müssen die Spieler ihre Spielfigur (Avatar) durch virtuelle Welten bewegen, aufgetragene Aufgaben möglichst schnell lösen, Gegenstände (vor allem Waffen) finden und alle sich ihnen entgegen stellenden "Feinde" vernichten. Ziel ist, die eigene Spielfigur in ihren Bewegungen so geschickt und reaktionsschnell zu steuern, dass sie den Gegner besiegt.

Eine interessante Forschungsfrage zielt auf die Bedeutung dieser Inhalte für die Computerspieler. Wie wichtig sind den Spielern diese Inhalte? Was behalten die Computerspieler eigentlich vom Spielinhalt? Transportieren die Inhalte unterschwellig Wertvorstellungen, die sich im Bewusstsein der Spieler 'einnisten'?
Klar ist, dass diese neue Kommunikationsform nicht ohne Wirkung auf Gefühle, Sprache, Wahrnehmung und Denken bleibt. Vergleicht man allerdings verschiedene Forschungsergebnisse, so lassen sich keine klaren und eindeutigen Aussagen machen.

Deshalb soll in dieser Sequenz das Online-Spiel auch nicht verteufelt werden. Ziel ist es hingegen, dass sich die Jugendlichen kritisch mit den Inhalten der virtuellen Welten auseinandersetzen und Rückschlüsse auf ihr eigenes Medienverhalten ziehen.

Weiterführende Literatur: Siehe unter Fachhochschule Köln, Fachbereich Sozialpädagogik, Forschungsschwerpunkt "Wirkung virtueller Welten" (www.fh-koeln.de).


Anregungen für den Unterricht

 
3. Online: Faszination, Chance und Risiko
 

 

Online-Kommunikation und Neue Medien bieten faszinierende und unerwartete Chancen und Möglichkeiten. Sie bergen aber auch Gefahren wie Missbrauch und Abhängigkeit. Neue Medien gehören zum unverzichtbaren beruflichen, schulischen und privaten Alltag der so genannten @-Generation. Das Internet zum Beispiel gehört bereits seit einigen Jahren zur Lebensrealität weiter Teile der westlichen Welt. Die Wirklichkeit ist um eine neue Welt erweitert worden, welche sich mit den Begriffen On- und Offline unterscheiden lässt.

In der Kulturgeschichte der Menschheit hatte eine Neu oder weiterentwicklung im Bereich der Kommunikationstechnologie schon immer eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und letzten Endes auch weltanschauliche Neuorientierung zur Folge. Nur haben wird heute weniger Zeit zu lernen, wie wir die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Gewinn bringend und sinnvoll nutzen können. Um weltweit eine Zahl von 50 Millionen Benutzerinnen und Benutzer zu erreichen, benötigte das Internet gerade mal vier Jahre. Die Telefonie brauchte dazu sage und schreibe 74 Jahre!

"Die Nutzung des Internets […] ähnelt dem Versuch aus einem Hydranten Wasser zu trinken" (Peter Glaser, österreichischer Schriftsteller und Journalist). Diese Aussage verdeutlicht zudem die Schwierigkeit, die Informations- und Bilderflut überhaupt sinnvoll einordnen zu können.

Das Internet stellt einen virtuellen Raum dar, welcher als eigene Welt betrachtet werden kann. In dieser Welt gelten unterschiedliche Rahmenbedingungen und Regeln. Die Aspekte der virtuellen Kommunikation kommen der im Jugendalter wichtigen Identitätssuche entgegen.

Ziel dieser thematischen Sequenz ist es, dass die Jugendlichen die Chancen und die Gefahren der Neuen Medien, und speziell des Mediums Internet, realistisch einschätzen können.

Anregungen für den Unterricht

 
4. Freizeitgestaltung und Medienkonsum

 

Das Freizeitverständnis hat sich grundlegend gewandelt. Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Freizeit hauptsächlich dazu da, sich von der Arbeit zu erholen. Heute hingegen hat für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Freizeit einen eigenständigen Wert bekommen. Quantitativ und qualitativ unterscheidet sich die Freizeit heute deutlich von früheren Freizeitformen. Zentral ist dabei vor allem die wachsende Bedeutung der Neuen Medien für die Freizeitgestaltung.

Fragt man Jugendliche, wie viel Freizeit sie an einem normalen Wochentag haben, so nennen sie eine Zahl von durchschnittlich vier bis fünf Stunden. Nicht überraschend ist, dass berufstätige Jugendliche deutlich weniger freie Zeit zur Verfügung haben als Schülerinnen und Schüler. Vergleicht man die Freizeitaktivitäten nach Geschlecht, so lassen sich ebenfalls deutliche Unterschiede erkennen: Die grössten geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen sich dabei in der Altersgruppe der 13- bis 16-Jährigen. Mädchen bevorzugen künstlerisch-musikalisch-literarische Aktivitäten wie Tagebuch schreiben, Musik hören oder machen, Lesen und Malen. Insbesondere in der frühen Jugendphase stehen bei Mädchen Aktivitäten mit einem introvertierten und problemverarbeitenden Charakter - analog dem Durchleben der Pubertät - im Vordergrund. Weitere typisch weibliche Präferenzen sind das Diskutieren von persönlichen Problemen mit der Freundin, das Telefonieren bzw. Schreiben von SMS, einen Schaufensterbummel machen oder Shopping. Eher männliche Freizeitbeschäftigungen sind Fernsehen, Videos schauen, Computerspiele, Comics lesen und im Allgemeinen technik- und motorisierungsorientierte Freizeithandlungen.

Jung sein heisst auch, sich zu entwickeln, sich zu entfalten, auszuprobieren, verrückt zu sein. So ist heute der Freizeitbereich für die Mehrheit der Jugendlichen als Experimentiersphäre pluraler Lebensstile und Verhaltensmuster deutbar. Freizeit ist jener Lebensraum, in dem die Heranwachsenden mehr oder weniger die Möglichkeit haben, ihr Grundrecht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu verwirklichen. Dabei haben sich die individuellen Optionen für diese oder jene Freizeitbeschäftigung in den letzten Jahren potenziert. Nie zuvor waren die Menschen einem solchen Angebotsstress ausgesetzt wie heute. Ständig müssen wir uns entscheiden, welches Angebot wir nutzen und worauf wir verzichten wollen.

Das soziale Umfeld wie Familie und Freunde sowie die individuelle Wohnsituation nehmen massgeblich Einfluss auf das Freizeitverhalten von Jugendlichen. Aber auch die Art und die Qualität der Kontakte in der Schule mit Kolleginnen, Kollegen und Lehrpersonen prägen das Freizeitverhalten von Jugendlichen.

Lernziel dieser thematischen Sequenz ist die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Art der Freizeitgestaltung und ihrem Medienkonsum. Sie reflektieren ihre persönlichen Bedürfnisse und lernen alternative Möglichkeiten der Freizeitgestaltung kennen.

Anregungen für den Unterricht

 
5. Sinneserfahrung


In der Suchtprävention gilt die Erlebnisfähigkeit als wichtiger Schutzfaktor vor einer Sucht. Zur Erlebnisfähigkeit gehört die Voraussetzung, das Erlebte mit all unseren Sinnesorganen wahrnehmen zu können. Mit unseren fünf Sinnen - Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten - orientieren wir uns in der Welt. Die Sinne empfangen die verschiedenen Signale aus der Innen- und Aussenwelt. Das Wort "Sinn" bedeutet ursprünglich "Gang, Reise, Weg". Mit unseren Sinnesorganen 'reisen' wir zu uns selbst und erkunden unsere Umwelt. Ohne Sinnesorgane können wir uns kein Bild von uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Umgebung machen. Alle äusseren Eindrücke passieren den Filter unserer Sinne. Erst was wir mit unseren verschiedenen Sinnen wahrgenommen haben, können wir mit dem Verstand begreifen. Das Zusammenspiel aller Sinne ist die Grundvoraussetzung für ein sensibles Bewusstsein für unsere Mitmenschen und unsere Umwelt. Bei der Beschäftigung mit dem Gameboy, beim Surfen, Chatten und Gamen im Internet wird fast ausschliesslich der Sehsinn gefordert. Das akustische und taktile Erleben spielt eine untergeordnete Rolle, der Geschmacks- und Geruchssinn kommen gar nicht zum Einsatz.

Menschen, welche einen grossen Teil ihrer Freizeit mit den Neuen Medien verbringen, laufen Gefahr, dass ihre Sinneswahrnehmung einseitig wird. Gleichermassen wie Muskeln für gewisse Bewegungsabläufe in einer Sportart trainiert werden können, lassen sich auch unsere Sinne (Geruchssinn, Tastsinn, Geschmacksinn, Sehsinn, Hörsinn, Gleichgewichtssinn) trainieren.

Lernziel dieser Sequenz ist die bewusste Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit all ihren Sinnesorganen um mit der Vielfalt unserer Sinne den Alltag zu bereichern.

Anregungen für den Unterricht